Auf der Flucht

...befand sich die Klasse 10d im Fach Sozialwesen im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Würzburger Referentinnen Melissa Silva und Louisa Artmann, die sich ehrenamtlich in der rechtlichen Beratung von Flüchtlingen engagieren, brachten die Schüler in einem dreistündigen Planspiel in eine prekäre Situation: Schülergruppen begaben sich in ihrer Rolle als Flüchtlinge aus Afghanistan bzw. Syrien über die gefährliche Balkanroute auf die Flucht nach Deutschland. In Griechenland trafen die Gruppen zuerst aufeinander – jeweils ausgerüstet mit nur acht Gegenständen, die sie für die Flucht ausgewählt hatten. Schon den ersten Kontakt zu möglichen Schleppern herzustellen erwies sich für die Flüchtenden als schwierig – trotz des Einsatzes moderner Medien! So gefunden, waren die Schlepper nicht zimperlich: Gleich fünf der sorgfältig ausgewählten Gegenstände wurden als Bezahlung sofort von jeder Gruppe eingefordert. Wenigstens verlief die Bootsfahrt über das Mittelmeer ohne Zwischenfälle, aber schon auf der berüchtigten Balkanroute wurde unseren Flüchtigen mit Hilfe einer Dokumentation vor Augen geführt, wie risikoreich und unwägbar eine Flucht mit der Familie sich anfühlt. In Deutschland angekommen wurden die Flüchtlinge von Polizisten in einer fremden Sprache befragt – authentischer wurde diese Situation dadurch, dass Baran Körber und Emilia Dering nicht nur äußerst flexibel aus der Rolle der Schlepper zu Polizisten wurden, sondern vor allem durch den Einsatz ihrer weiteren Fremdsprachen Türkisch und Russisch für echte Sprachbarrieren sorgten. Die Verständigung wurde schließlich mit Händen und Füßen gemeistert und endete für die Geflüchteten entweder auf der Polizeidirektion oder in der Erstaufnahmeeinrichtung – je nach dem Gehalt der Aussagen. In der Erstaufnahmeeinrichtung kämpften sich die Schüler in ihrer Rolle bei hoher Lautstärke und laufender Zeit durch zahlreiche Formulare, warteten auf Bescheide und Gespräche mit den Entscheidern. Bei dem ein oder anderen kam nun auch echter Hunger und Ungeduld ins Spiel. Nach einem gedolmetschten Gespräch mit den Entscheidern (wieder gespielt von Baran Körber und Emilia Dering) und den entsprechenden Asylbescheiden, endete das Planspiel für die Schülerinnen und Schüler. Im echten Leben wäre eine Familie getrennt worden und ein junger Mann nach Griechenland zurückgeführt worden. In der abschließenden Reflexion zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler vor allem die ständige Angst und Ungewissheit auf der Flucht nachvollziehen konnten. Parallelen zu den realen Flüchtlingen zeigten sich auch bei den so entscheidenden Gesprächen, in denen sich die Zehntklässler machtlos und hilflos fühlten. Louisa Artmann und Melissa Silva erläuterten Fluchtrouten, zeichneten eine authentische Handykommunikation auf den Schülerhandys nach und erläuterten das vielschrittige und komplizierte Asylverfahren sowie rechtliche Grundlagen der Asylentscheidung anhand der im Planspiel verwendeten Rollen. Herzlichen Dank für diesen einzigartigen Zugang zu einem komplexen und sehr bewegenden Thema!