Schnuppern für den guten Zweck

ENGAGEMENT Rund 10 000 Euro haben die Schüler der Realschule Ebern erarbeitet, indem sie Schulbank gegen Arbeitsplatz eintauschten.

Ebern — Lea legt hellblaue Schlaufen aus Wollfäden auf die Unterlage. Mit Daumen und Zeigefinger zupft sie die Form auf der naturfarbenen Filzmatte zurecht. Ihre Freundin Luisa streicht mit den Fingerspitzen vorsichtig über das entstandene Motiv, dann greift sie zu Lochfolie und Seifenwasser. Langsam kreisen die Finger von Lea und Luisa über die Folie. Anschließend binden sie ihr Filz-Kunstwerk gemeinsam mit einer Bewohnerin des „Sonnenhofs“ auf eine Rolle. 392 Kinder und Jugendliche der Dr.-Ernst-Schmidt-Realschule Ebern haben am Freitag am „Sozialen Tag“ teilgenommen, einer Initiative des Vereins „Schüler Helfen Leben“ (SHL). Lea Schindhelm und Luisa Reisenweber sind zwei von ihnen. Sie haben sich entschieden, an diesem Tag den „Sonnenhof“ in Wüstenwelsberg in der Gemeinde Untermerzbach zu besuchen, eine Lern- und Arbeitsgemeinschaft für Menschen mit Behinderung.

Soziales Profil der Schule

Seit vier Jahren beteiligt sich die Realschule an der Aktion, erläutert Studienrätin Miriam Siedler. „Als Schule mit einem sozialen Profil und Fairtrade-Schule ist es unser Anliegen, soziale Projekte zu unterstützen“, erklärt sie die Motivation der Schule mit einem Verweis auf den sozialen Zweig und die Wahlpflichtfächergruppe Sozialwesen der Realschule. Weiter führt sie aus: „Wenn unsere Schüler dann für einen Tag ihren Schulalltag gegen einen Arbeitsplatz eintauschen, unterstützen sie nicht nur Jugend und Bildungsprojekte für Gleichaltrige in Südosteuropa und Jordanien, sondern haben auch die Möglichkeit, einen Tag lang in ihren Traumberuf zu schnuppern und Kontakte zu späteren potenziellen Arbeitgebern herzustellen.“ Für Lea und Luisa kommt der „Sonnenhof“ in Wüstenwelsberg eher nicht als zukünftige Arbeitsstätte infrage, dennoch verbringen beide bereits ihren zweiten sozialen Tag in der Filzerei in Wüstenwelsberg. „Ich finde es interessant, wie Behinderte leben, und wollte einen Einblick in ihren Alltag erhalten“, erzählt Lea.

Fremdes kennenlernen

Darin sieht auch der Leiter des „Sonnenhofs“, Christoph Zeuner, den größten Effekt des sozialen Tags auf dem „Sonnenhof“: „Es geht darum, Scheu zu überwinden, Fremdes kennenzulernen und Menschen mit Behinderung zu erleben.“ Einen besonders tiefen Einblick in die Arbeit und den Alltag auf dem „Sonnenhof“ könne man an einem Vormittag dagegen nicht erhalten.

Spenden helfen

Luisa reicht einer Bewohnerin einen Faden, damit sie ihre Filzmatte auf eine Rolle schnüren kann. „Letztes Mal haben wir den Bewohnern vor allem beim Rollen geholfen und ihnen Schnüre gebunden“, erinnert sie sich und ergänzt: „Dieses Mal durften wir selbst mehr kreativ werden.“ Die entstandene Filzarbeit wird zugunsten der Werkstätten wahrscheinlich beim Weihnachtsmarkt verkauft. Für ihre Unterstützung in Wüstenwelsberg erhalten die beiden Schülerinnen je zehn Euro für ihr Projekt. „Insgesamt 10 164 Euro an Spenden von Unternehmen oder privat wurden den Schülerinnen und Schülern für ihre Arbeitsleistung am sozialen Tag zugesichert“, informiert Studienrätin Miriam Siedler. Rund 150 Unternehmen, aber auch Gemeinden und Kindertagesstätten sind beteiligt. Einige Schüler boten in der Verwandtschaft oder Nachbarschaft soziale Dienste an, andere erhielten auch Einblick bei den Arbeitsstellen ihrer Eltern oder anderer Verwandter. So beispielsweise Hannes Neubauer, der seinen sozialen Tag bei der Firma Batzner verbrachte. Er klickt sich durch Rücklieferungen und Belastungsanzeigen. „Lieferscheine schreiben, sortieren, Büroarbeit – das macht mir Spaß“, erklärt der Neuntklässler. Deshalb wolle er das später auch beruflich machen und habe zudem bereits ein einwöchiges Praktikum bei Batzner gemacht.

Klassische Handwerksberufe wie Schreiner und Friseur lernten die Schüler beispielsweise bei der „Maysterschreinerei“, den „Stadtschönheiten“ oder im Friseursalon Tomi kennen. Pauline Streng aus der Klasse 8a wählte sich ihren Lieblingsbuchladen als Arbeitgeber für einen Tag: die „Leseinsel“. „Ich lese gerne Bücher und bestelle fast alle meine Bücher hier“, verrät sie, während sie die Vorbestellungen des Tages in das Abholregal einsortiert. Auch sie verbringt bereits ihren zweiten sozialen Tag im gleichen Geschäft, statt sich in weiteren Berufen umzusehen. Ob es später Buchhändlerin werden soll, weiß sie aber noch nicht. In jedem Fall findet sie den sozialen Tag eine super Sache.

Von: Pia Bayer aus dem „Fränkischen Rag“ vom 15.07.2019